MANDOLINE
Die russische Domra hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Sie ist
ein Saiteninstrument, das seinen Ursprung in der altorientalischen
Tanbur hat, einer dreisaitigen Langhalslaute. Schon im 10. Jahrhundert
wurden tanburähnliche Instrumente bei slawischen Stämmen nachgewiesen.
Im zaristischen Russland des 16. und 17. Jahrhunderts war
die Domra ein weit verbreitetes Musikinstrument und kam sogar in
zwei Varianten vor. Einmal mit einem kleinen, runden Korpus, langem
Hals und drei bis vier Saiten – der heutigen Domra nicht unähnlich. Die
zweite Form besaß einen großen, runden Korpus, einen kurzen Hals,
einen nach hinten abgeknickten Kopf und fünf oder mehr Saiten.
Das Instrument wurde von vielen Völkern und Stämmen genutzt, teilweise
unter anderem Namen. So nannten die Kasachen es „Dombra“,
bei den Kalmeken hieß es „Domr“, bei den Baschkiren „Dumbira“ und
bei den Kirgisen „Dumbra“. Die Usbeken spielten weiterhin die Tanbur.
Im 16. und 17. Jahrhundert war die Domra das Instrument der Skomorochi,
professionelle, fahrende Gaukler, die auch vor dem Zaren
auftraten. Ihre volksnahen, weltlichen Texte und Lieder missfielen der
Kirche, was dazu führte, dass ihre Auftritte 1648 von Zar Alexei I.
(1629 - 1676) verboten wurden – und mit ihnen die Domra. Viele der
Instrumente wurden an den Ufern der Wolga verbrannt. Ende des 18.
Jahrhunderts ist keine Erwähnung oder Abbildung der Domra in Handschriften
mehr verzeichnet.
Mit Zar Peter dem Großen (1672 - 1725) zogen „europäische Manieren“
in Russland ein. Dementsprechend änderten sich auch die Musikinstrumente:
In Hofensembles herrschten nun Flöten, Geigen, Hörner,
Orgel, Cembalo und Chlavichord vor. Das gemeine Volk allerdings
benötigte für seine „einfache“ Musik eine andere Art von Instrument:
leicht zu bauen und für fröhliche Tänze geeignet. So entstand die Balalaika
– die volkstümliche Variante zur professionellen Domra der Skomorochi.
Sie wurde erstmals Ende des 17. Jahrhunderts erwähnt.
Ihre zweite Geburt verdankt die Domra Wassili Andrejew, der zusammen
mit dem Balalaikabauer Semion Nalimoff um 1896 eine Domra
rekonstruierte, die den „Todesbefehl“ von Alexei I. überlebt hatte.
Die traditionellen russischen Instrumente – darunter auch die Domra
– nahmen im 20. Jahrhundert die Rolle eines Vermittlers ein zwischen
der hohen Kunst und den ästhetischen Anforderungen des Volkes. Die
Nutzung traditioneller Instrumente spiegelte den Wunsch nach einer
gemeinsamen Lebensart wider, während Komponisten wie Tschaikowski,
Rachmaninow oder Prokofjew sie in einen seriösen Kontext setzen
konnten. Im Zuge der Verbreitung der Domra entstanden auch professionelle
Ausbildungsstätten. So gibt es in Russland, Weißrussland und
der Ukraine seit mehr als 100 Jahren Musikschulen und Akademien, die
Künstler und Künstlerinnen an diesem Instrument ausbilden.